Petri Computor II: top

Die Petri Computor II

Am Anfang war das Wort, oder in diesem Fall, ein Buch: John R. Bairds “The collector guide to Kuribayashi-Petri Cameras”. Bevor ich dieses Buch von Tomi, dem Besitzer des Múzeum Antikvárium in Budapest, als Geschenk bekommen habe, hatte ich noch nie etwas von Petri-Kameras gehört. Und auch über die Geschichte der japanischen Kameraindustrie wusste ich nicht allzu viel. Das Buch beschreibt anhand der Petri Geschichte, wie schnell sich die japanischen Hersteller die notwendigen Fähigkeiten angeeignet haben um,  nachdem sie recht spät mit  der Kameraproduktion begonnen hatten, den Kameramarkt für lange Zeit zu dominieren.

Allerdings ist das hier kein Blog über Fotografie im Allgemeinen oder gar ein Buchblog, sondern die Dokumentation meiner Kamerasammlung. Daher brauchte ich erst eine Kamera um diesen “Petri”-Post zu schreiben. Als ich dann vor ein paar Wochen im renovierten (?) Fotomax Laden in Berlin war, um zu fragen, woher sie ihre Pajtás-Kamera hatten (die ich außerhalb Ungarns nie gesehen habe), entdeckte ich eine Petri Kamera, genauer eine Computor II. Endlich eine Kamera zum Petri-Kuribayashi Buch! Der freundliche Verkäufer hat dann sofort nach passenden Batterien gesucht, wir haben beide die Kamera kurz ausprobiert (ohne Detailwissen, sie hatten sie im Paket mit anderen Kameras erworben) und dann nahm ich sie mit. Wie üblich habe ich mich nicht zu lange damit beschäftigt sie intensiv zu testen, sondern einfach einen Film eingelegt, mir noch kurz die Anleitung angesehen und dann angefangen zu fotografieren. Ich warerst ziemlich sicher, dass die Kamera ein Fehlkauf war: Der Verschlussklick war noch leiser als bei meiner Olympus XA, außerdem gab es keine “Langzeitbelichtungswarnung”  in der U-Bahn, und das bei einem 400er Film. Glücklicherweise lag ich falsch.

Was ist die Petri Computor II für eine Kamera?

Bevor ich über die Kamera schreibe, hier erstmal einmal mein angelesenes Wissen über das Unternehmen, das sie gemacht hat: Kuribayashi-Petri, einer der ältesten Kamerahersteller Japans. Petri wurde 1907 als Kuribayashi Seisakusho (= Produktionsstätte) von Kuribayashi Yoji als Geschäft für Stative, Plattenhalter und andere Fotoausrüstung gegründet und produzierte imJahr 1919 dann ihre erste Mittelformatkamera, die Speed Reflex. Später wurde der Name in “First camera works” und schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg in “PETRI” geändert. Um zu erklären, wie und warum sie diesen Namen gewählt haben, möchte ich John R. Baid zitieren:

… With this new camera from Kuribayashi came the introduction of the brand name “PETRI”. During the postwar, reestablishment period, the company (with prospective international market in mind) decided to find a brand name for their new camera that would be well received outside of Japan. Petri was chosen from an employee contest to select the new name.
Petri was derived from St. Peter, the first Roman Catholic Pope: PETER the 1st or PETR I, finally PETRI. Later, the Roman numeral “I” was changed to the letter “i”, forming the word Petri, as we now know it. It was hoped that with the use of this name, a statement about the capability and admirable quality of the camera would be imparted. Within a few years, the Petri mark dominated the company’s cameras and lenses, finally becoming the name of the factory in 1962.

Petri produzierte alle Arten von Kameras: von Mittelformatkameras bis hin zu komplexeren TLRs; Kleinbildkameras von Messsuchern, Sucherkameras, Halbformatkameras bis hin zu Spiegelreflexkameras; und schließlich Pocketfilm- und Instamatic-Kameras. Interessante Modelle waren die Petri Color 35, eine der kleinsten japanischen Vollformat 35 mm-Sucher-Kameras der damaligen Zeit und die Petri 7-Serie, ein Messsucher mit einer Selenzelle direkt “um” das lichtstarke Objektiv (also wie bei der Olympus Trip 35, der Olympus Pen EES-2 oder der Zorki 10).
Vielleicht war diese Produktpalette etwas zu umfangreich: 1977 wurden die letzten Petri-Kameras produziert, die Fabrik schloss kurz darauf und der Markenname wurde verkauft.

Die Petri Computor war der Nachfolger der Petri 7 und Petris erste Messsucherkamera mit einem elektronischen CdS-Belichtungsmesser. Sie wurde 1970 präsentiert. 1972 folgte dann die Computor II mit einem schnelleren ƒ 1.7 Objektiv. Falls ihr euch jetzt fragt, warum Petri die Kamera “Computor”und nicht “Computer” nannte: ganus das frage ich mich auch, aber vielleicht haben Diskussionen über den Namen Petri dazu veranlasst, die Kamera später in “Petri ES Auto 1.7” umzubenennen.
Die Petri Computor II ist eine automatische 35 mm Messsucherkamera. Ich würde sie als mittelgroß bezeichnen, da sie größer als eine Olympus XA oder eine Olympus 35 RC ist, aber kleiner als meine Yashica Electro 35 GT mit einem ebenso lichtstarken Objektiv. (Beide Kameras verwenden übrigens eine Atommodell-Abbildung, um ihre Belichtungselektronik auch auf dem Gehäuse hervorzuheben). Im Gegensatz zu meinen den genannten Kameras funktioniert die Computor II vollautomatisch. Blende und Belichtungszeit können (oder müssen, je nach Geschmack) nicht manuell festgelegt werden. Zum Betrieb werden zwei Batterien (siehe Tipps) benötigt, um den Belichtungsmesser und den elektronischen, stufenlosen Seiko ESF-Verschluss mit Strom zu versorgen. Der Verschluss dient dabei auch gleichtzeitig als Blende. Für Langzeitbelichtungen gibt es ein Stativgewinde, einen Anschluss für einen Drahtauslöser und einen Selbstauslöser. Für die Blitzfotografie sind ein Blitzschuh und eine PC-Buchse vorhanden.

Fotografieren mit der Petri Computor II

Da es sich um eine vollautomatische Kamera handelt, ist die Bedienung denkbar einfach: Nachdem Batterien eingelegt wurden, die Rückseite der Kamera mit dem kleinen Hebel auf der linken Seite öffnen und wie gewohnt den Film einlegen. Kamera schließen, spann, fertig. Der Filmzähler wird automatisch auf “Start” gesetzt. Jetzt den ASA Wähler am Objektiv auf die korrekte Filmempfindlichkeit von 25 bis 800 einstellen. Jetzt der einzige “ungewöhnliche” Aspekt der Kamera: Im oberen Teil der Rückseite befindet sich ein kleiner Schieberegler, der auf “A” eingestellt werden muss. Die Einstellung “F” wird für Blitzaufnahmen mit manuellen Blitzgeräten verwendet. Jetzt den Auslöser mit dem Ringschalter am Auslöser entriegeln (diese Verriegelung dient auch als Ein/Ausschalter bei gespanntem Verschluss). Um zu fokussieren, den Fokusring drehen, bis das rautenförmige Schnittbild mit dem Motiv übereinstimmt. Die punktförmigen Parallaxen-Markierungen im Sucher sind dabei für kürzere Entfernungen gedacht. Wenn jetzt der Auslöser leicht gedrückt wird, erscheint ein orangefarbenes Licht im Sucher und auf der Oberseite der Kamera. Dies zeigt an, dass die Kamera funktioniert. Wenn jetzt weiter gedrückt wird

  • Geht entweder das Licht aus, das bedeutet, dass eine Belichtung > 1/30 s möglich ist
  • Oder das Licht bleibt an, und warnt so vor Verwacklungsgefahr

Der Geschwindigkeitsbereich liegt zwischen 2 s und 1/1000 s, die Blende öffnet sich von ƒ 1.7 bis 22, was der Kamera einen recht großen Belichtungsspielraum gibt. Wenn der Auslöser ganz heruntergedrückt wird, ist ein leises, “surrendes” Geräusch (zumindest bei meiner Kamera) zu hören. Das Bild ist gemacht, danach schaltet sich die Kamera automatisch aus, bis der Verschluss mit dem wieder gespannt wird. Wenn der Film voll ist, den Rückspulknopf an der Unterseite der Kamera drücken und den Film mit der Rückspulkurbel oben links am Gehäuse zurückspulen. Für Langzeitbelichtungen ein Stativ anschließen und einen Kabelauslöser den Selbstauslöser verwenden. Für den Blitzbetrieb verfügt die Kamera über eine recht spezielle Blitzeinstellung:

  • Ist ein Automatikblitz vorhanden, muss der Blitzeinstellring entsprechend der Leitzahl des Blitzes eingestellt werden und der Schieberegler in die “A” Position gebracht werden. Die Kamera “entscheidet” dann, ob der Blitz benötigt wird oder nicht. Die Leitzahltabelle auf der Rückseite der Kamera hilft bei der Auswahl der richtigen Einstellung, bitte beachtet, dass sie für 25 ASA gilt, eine Umrechnungstabelle ist in der Bedienungsanleitung enthalten.
  • Bei einem manuellen Blitz wird ebenfalls die Leitzahl eingestellt, dann aber der Schieberegler auf “F” gestellt. In dieser Einstellung wird der Blitz bei jeder Aufnahme ausgelöst.

Die Petri Computor II ist eine (zumindest in Deutschland) eher selten Kamera mit einem schnellen Objektiv. Aufgrund ihrer kleineren Größe wird sie vielleicht meine Yashica für Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen ersetzen. Dieser Post hat mich darüber hinaus noch an zwei wichtige Dinge erinnert: Erstens, dass die Entdeckung unbekannter Kameras und nicht die Suche nach “fehlenden” Sammlerstücken einen großen Teil des Spaßes ausmacht, und zweitens, dass die besten Dinge oft Geschenke sind.

Marke Petri
Modell Computor II
Baujahr ?, hergestellt von  1972 bis 1974
Seriennummer 342921
Objektiv 40 mm ƒ 1.7
Verschluss Seiko ESF
Filmformat 35 mm
Besonderheiten Messsucher mit stufenloser Belichtung
Zubehör Bereitschaftstasche
Hersteller Kuribayashi-Petri
Gekauft am: 31.01.2019
Kaufpreis 40 €
Wo gekauft? Kamera: Fotomax Berlin
Buch : Geschenk vom Múzeum Antikváriat, Budapest

Tipps & Tricks

Wie andere Kameras aus dieser Zeit wurde auch für die Computor II der Gebrauch von 1,4 V Quecksilber Batterien vorgesehen. Dieser Beitrag schlägt vor, dass auch zwei 1,55 V SR44 mit einigen Zugfedern oder ähnlichem funktionieren sollten. Allerdings verwende ich derzeit zwei CR-1/3N-Batterien, die vom Verkäufer eingelegt wurden, obwohl die resultierende Spannung jetzt 6 V beträgt (was das surrende Geräusch erklären könnte).

Weiterführende Links:

https://www.butkus.org/chinon/petri/petri_es_auto/petri_es_auto.htm (Das Handbuch für die ähnliche Petri ES Auto))
http://35mm-compact.com/compact/petricomputor2.htm (Eine Rezension der Petri Computor II auf Französisch, die davor warnt, 3V-Batterien zu verwenden.)
Múzeum Antikvárium  Falls ihr Budapest besucht: Hier ist ein wunderbares Antiquariat.

Pictures:

The Petri pool
My pictures on Flickr

Read in English

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2 thoughts on “Die Petri Computor II

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